Wundversorgung

BVMed-Forum „Eine Stunde Wunde“ | Zukunftsforscher Solte: KI kann in der Wundversorgung unterstützen

Um die Möglichkeiten digitaler Lösungen und der Nutzung von Versorgungsdaten für die Diagnose und Therapie von Wunden auszuschöpfen, benötigen wir den Willen und aktiven Diskurs aller Beteiligten, darunter Politik, medizinisches Personal und Patient:innen sowie Medizintechnik-Branche. Nur so kann der notwendige Rahmen zur Weiterentwicklung der Wundversorgung geschaffen werden. So lautet das Fazit des interdisziplinären BVMed-Gesprächsforums „Eine Stunde Wunde“ am 1. Februar 2023. „Egal welche Wunde ärztliches und nicht-ärztliches Fachpersonal behandelt, im Schnitt werden 6 Minuten bezahlt. Das wird insbesondere bei chronischen und schwer heilbaren Wunden den Betroffenen nicht gerecht“, beschreibt Zukunftsforscher Dr. Dirk Solte in seinem Impulsvortrag eine der vielen Herausforderungen in der Wundversorgung. Juliane Pohl, BVMed-Wundexpertin ergänzt: „Die Versorgungsrealität zeigt uns: Wir müssen uns weiterbewegen, um die Gesundheitsversorgung zu stärken“. Solte sieht hier viel Potenzial durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI), um die Versorgung und ihre Prozesse effizienter zu gestalten und weiterzuentwickeln.

Unterstützung in der Diagnose

„Am Anfang einer Wundversorgung steht die Blickdiagnose, die auch die mögliche Kausalität einer Wunde ermittelt“, erklärt Dr. Dirk Solte, Fachexperte für Zukunftsforschung beim Medical Data Institute und Experte für KI, auf dem BVMed-Forum. An dieser Stelle könne bereits eine gut trainierte KI unterstützen. Ausgerüstet mit einer Kamera und Tiefensensoren würde die KI den Wundrand, Wundgrund sowie die Belagstypen analysieren und eine Diagnoseempfehlung abgeben. Literatur mit Bildmaterial, aus der die KI vorab „lernen“ könne, gebe es bereits. Solte denkt noch weiter: „Diese Informationen können dann auch direkt digital für ein zentrales Wundregister dokumentiert werden – und zwar zeitsparend automatisiert“.

Therapieempfehlungen

Auch für die Therapie ergeben sich aus Sicht des Experten viele Möglichkeiten für eine KI: „In den kommenden S3-Leitlinien zur Behandlung chronischer Wunden werden noch mehr Positiv-Empfehlungen gegeben, die wir in die KI implementieren könnten. So könnte die KI nach der Diagnose Therapieempfehlungen geben und einen Behandlungsplan ableiten. Während der Therapie würde dann regelmäßig mit der KI der Status der Wunde erfasst und damit der Wundverlauf dokumentiert werden. Sollte sich die Wunde anders entwickeln als gewünscht, könnte hier eine KI rechtzeitig Alarm schlagen“, so Solte. Hier könnte die KI dann mit anderen Technologien zusammenarbeiten: Im Moment des Alarms könne durch Telemedizin direkt ein Rezept bei den behandelnden Ärzt:innen angefragt werden.

Der Zukunftsforscher ist überzeugt, dass dies zu einer enormen Zeit- und Ressourcenersparnis, noch besseren Versorgung sowie Kosteneinsparung führen könne. Zudem könne hierdurch reale Evidenz für die Effekte von Versorgungen oder Therapien geschaffen werden. Er stellt aber auch klar: „Die KI unterstützt in der Wundversorgung die Expertise der Behandler:innen, sie ist kein Ersatz“.

Teil der digitalen Transformation

Bei all dem darf KI nicht als geschlossenes System betrachtet werden. Vieles greift ineinander, damit das System funktionieren kann. Stichworte sind hier: Einheitliches, strukturiertes Wundregister mit mehreren praxistauglichen Therapieendpunkten, zentrale Infrastruktur zur Dokumentation (beispielsweise ePA), sichere Übermittlung von Daten (beispielsweise KIM), Sicherheit und einfache Bedienbarkeit für Behandler:innen, Einrichtungen und Patient:innen.

Diskussion um gemeinsames Zielbild

„Aktuell befinden wir uns in einem politischen Diskurs zu vielen der notwendigen Voraussetzungen für eine effektive digitale Transformation. Dieser Diskurs über Sinn und Nutzen digitaler Elemente muss ebenso zunehmen wie das Bewusstsein für das Lösungspotential digitaler Medzintechnologien“, beendet BVMed-Expertin Juliane Pohl die fünfte digitale Diskussionsrunde im Forum „Eine Stunde Wunde“.

Die nächste „Eine Stunde Wunde“ des BVMed findet digital am Mittwoch, 05. April 2023, statt. Anmeldung unter bvmed.de/2023-04-05-bvmed-einestundewunde. Weitere BVMed-Veranstaltungen unter bvmed.de/events.

Über „Eine Stunde Wunde“

Wundversorgung kann nur interdisziplinär funktionieren, daher muss auch der Diskurs dazu interdisziplinär sein. Aus diesem Grund hat der BVMed das Gesprächsformat „Eine Stunde Wunde“ ins Leben gerufen. Das virtuelle Forum diskutiert alle zwei Monate die unterschiedlichen Themen der Wundversorgung. „Wir streben einen möglichst breiten Austausch zwischen allen Beteiligten in der Behandlung, Pflege und Versorgung von Wunden an. Unser Fokus ist eine gezielte, praxisnahe Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema, die sicherlich auch interessante Perspektivwechsel ermöglicht. Interessierte sind eingeladen, nicht nur daran teilzunehmen, sondern auch sich mit Themen einzubringen“, so Pohl.

Der BVMed repräsentiert über 250 Hersteller, Händler und Zulieferer der Medizintechnik-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 250.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 36 Milliarden Euro, die Exportquote bei 66 Prozent. Dabei sind 93 Prozent der MedTech-Unternehmen KMU. Der BVMed ist die Stimme der deutschen MedTech-Industrie und vor allem des MedTech-Mittelstandes.
  • Weitere Artikel zum Thema
  • Ein Interview mit ChatGPT zur MedTech-Branche

    ChatGPT und die Entwicklungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz sind aktuell in aller Munde. Wir waren neugierig und haben ein erstes Interview mit ChatGPT zur MedTech-Branche geführt. Die Geschwindigkeit der Antworten ist beeindruckend. Für schnelle Themenüberblicke ist das Tool sehr gut geeignet. Tiefergehende Analysen darf man (noch) nicht erwarten. Und: aktuelle Entwicklungen sind nicht berücksichtigt. ChatGPT ist erst auf dem Stand von 2021. Mehr

  • 7. BVMed-Wunddialog | Patient:innen sind der wichtigste Therapiefaktor

    Die Versorgung von chronischen und schwer heilbaren Wunden muss individuell und patient:innenorientiert erfolgen können, nur so kann sie nachhaltig erfolgreich sein. Hierfür ist eine ausreichende Wunddiagnostik und phasengerechte Wundbehandlung notwendig. Die Wundexpert:innen auf dem BVMed-Wunddialog waren sich daher einig: Das vorgegebene alleinige Primärziel „Wundverschluss” des G-BA für den Nutzennachweis von „Sonstigen Produkte zur Wundbehandlung” ist nicht immer mit der Zweckbestimmung dieser Produkte vereinbar. „Neben Schmerz-, Keim- und Geruchsreduktion muss auch der Wunsch der Patient:innen und der Faktor Lebensqualität einen stärkeren Niederschlag finden”, forderte Prof. Dr. med. Martin Storck, Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie im Städtischen Klinikum Karlsruhe. Juliane Pohl, BVMed Ambulant-Expertin: „Der G-BA muss mit Ärzt:innen, Pflegefachpersonen und Herstellern in einen Austausch treten, um gemeinsam weiterhin eine moderne, zielgerichtete und patient:innenorientierte Wundversorgung sicherzustellen“. Mehr

  • Homecare-Kongress des BVMed | Hilfsmittel-Leistungserbringer bei den Rettungsschirmen einbeziehen und ambulante Versorgung stärken

    Die Gesundheitsversorgung soll und muss ambulanter werden. Für eine wohnortnahe Versorgung braucht es eine gute Koordinierung und spezialisierte Fachkräfte. Homecare-Versorger und Hilfsmittel-Leistungserbringer sind hier ein wesentlicher Bestandteil, die die Versorgung der Patient:innen in der Häuslichkeit sicherstellen, so die Expert:innen des 9. Homecare-Management-Kongresses des BVMed. BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll kritisierte, dass bei den verschiedenen Rettungsschirmen der letzten Jahre „Homecare aber regelmäßig vergessen wird“. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche bemerkte, dass Homecare als wichtiger Akteur „besser auf dem Schirm der Politik“ sein müsse. Die SPD-Abgeordnete Martina Stamm-Fibich bezeichnete Homecare als „unsere Chance“, um Menschen in der Häuslichkeit gut zu versorgen. Für Simone Borchardt von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird Homecare eine Schlüsselrolle bei der Ambulantisierung und der Versorgung der Menschen in der Häuslichkeit spielen: „Homecare ist Zukunft“. Mehr


©1999 - 2023 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik