Wundversorgung

7. BVMed-Wunddialog | Patient:innen sind der wichtigste Therapiefaktor

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Die Versorgung von chronischen und schwer heilbaren Wunden muss individuell und patient:innenorientiert erfolgen können, nur so kann sie nachhaltig erfolgreich sein. Hierfür ist eine ausreichende Wunddiagnostik und phasengerechte Wundbehandlung notwendig. Die Wundexpert:innen auf dem 7. Wunddialog des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) waren sich daher einig: Das vorgegebene alleinige Primärziel „Wundverschluss” des G-BA für den Nutzennachweis von „Sonstigen Produkte zur Wundbehandlung” ist nicht immer mit der Zweckbestimmung dieser Produkte vereinbar. „Neben Schmerz-, Keim- und Geruchsreduktion muss auch der Wunsch der Patient:innen und der Faktor Lebensqualität einen stärkeren Niederschlag finden”, forderte Prof. Dr. med. Martin Storck, Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie im Städtischen Klinikum Karlsruhe. Juliane Pohl, BVMed Ambulant-Expertin: „Der G-BA muss mit Ärzt:innen, Pflegefachpersonen und Herstellern in einen Austausch treten, um gemeinsam weiterhin eine moderne, zielgerichtete und patient:innenorientierte Wundversorgung sicherzustellen“. Der BVMed-Wunddialog diskutierte mit Teilnehmer:innen aus Ärzteschaft, beruflicher Pflege, Herstellung, Krankenkassen, Krankenhäusern, Versorgungsmanagement und Politik die aktuellen Herausforderungen und Chancen in der Wundversorgung.

„Einer schwer heilbaren Wunde geht immer eine Grunderkrankung voraus“, erklärte Prof. Dr. Stefan Riedl, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie in Göppingen. Das und der Wunsch der Patient:innen seien essenziell bei der Festlegung des Ziels und der Therapieform der Wundversorgung: „Ist die Wunde kurativ behandelbar? Gibt es eine palliative Therapie? Oder machen wir eine rein symptombezogene Behandlung?“. Beim Einsatz einer bestimmten Wundauflage sei daher nicht immer der Wundschluss das Ziel, sondern unter anderem Schmerzlinderung, Keim- oder Geruchsreduktion, was auch Konsequenzen für die Produktauswahl hätte.

Mit Änderungen in der Arzneimittel-Richtlinie durch den G-BA im August 2020 werden nun Evidenz, Nutzennachweise und Studien für sogenannte „Sonstige Produkte zur Wundbehandlung“ gefordert. „Für einen Nutzennachweis muss ich schauen: Was möchte ich eigentlich mit dem Produkt erreichen?“, so Dr. Horst Braunwarth, Mitglied des BVMed-Fachbereiches Wunderversorung. Prof. Dr. Martin Storck: „Laut Arzneimittel-Richtlinie laufen allerdings Lebensqualität-Scores und andere Therapieziele nur als sogenannte sekundäre Endpunkte mit, die in der Nutzenbewertung nicht berücksichtigt werden. Als primärer Endpunkt wird ausschließlich die Zeit bis zum Wundschluss definiert. Daher benötigen wir eine interdisziplinäre Diskussion um weitere Therapie-Ziele“.

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Zusätzlich komme hinzu, dass „wir versuchen, im unglaublich artifiziellen Umfeld einer randomisiert kontrollierten Studie Bedingungen in der Routine-Wundversorgung zu standardisieren, was fast unmöglich ist“, so Dr. Thomas Eberlein, Dermatologe. Ein Grund: „Patient:innen sind die wichtigsten Partner:innen in der Versorgung“, so Hampel-Kalthoff, Geschäftsführer des Wundzentrums ORGAMed in Dortmund. Storck bestätigte: „Eine alleinige Betrachtung der Ergebnisse randomisierter Studien mit engen Einschlusskriterien und klinikfernen Endpunkten ist gerade im Bereich der chronischen Wunde zu einseitig“. Eine mögliche Lösung sehen die Expert:innen in der Nutzung von prospektiven Registerdaten („Real-World-Data“), hier gelte es noch – wie in anderen Bereichen der Medizin – die entsprechenden digitalen Rahmenbedingen zu schaffen.

Maik Stendera von mamedicon brachte eine weitere Sichtweise ein: „Der Pflege geht es bei einem Wundprodukt auch um praktische Dinge und um die Frage „Was hilft mir bei der Arbeit?“. So würden manche jetzt zu prüfende Produkte auch zu enormer Zeitersparnis führen, wie Inga Hoffmann-Tischner, Leiterin des pflegerischen Wundzentrums Aachen und Pflegedienstes in Köln, ergänzte. Insbesondere durch den demografischen Wandel und die Personalknappheit seien Produkte notwendig, die Kapazitäten freisetzen und die Möglichkeit bieten, den zu behandelnden Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und individuell sowie qualitativ hochwertig zu versorgen.

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Hier sehen die Expert:innen auch Perspektive in der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL). „Es wäre sinnvoll, die Bundespolitik auf die Fachkompetenzen, die insbesondere von Pflegefachpersonen und Ausbildung und Studium erworben werden, aufmerksam zu machen, um unter anderen die HKP-Richtlinien patient:innenorientiert anpassen zu können“, beschrieb Annemarie Fajardo, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerates. „Wir könnten die Fachlichkeit und Versorgungsschwerpunkte der Pflege in der Wundversorgung noch stärker weiterentwickeln. Das bedeutet auch, Prozesse und Schnittstellen zu hinterfragen und setzt erweiterte Kriterien der Qualität sowie der Interdisziplinarität voraus“.

Die Detailfragen der einzelnen Themen sollen im Laufe des Jahres 2023 bearbeitet werden. “Wir suchen konsensuale Lösungen für die Evidenzfragen und die Herausforderungen in der Versorgung. Dem wollen wir gemeinsam nachgehen”, so Pohl.

Die wissenschaftliche Leitung des 7. BVMed-Wunddialogs übernahm Prof. Dr. med. Martin Storck, Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie im Städtischen Klinikum Karlsruhe. Moderiert wurde sie von Christof Fischoeder.

Der BVMed repräsentiert über 250 Hersteller, Händler und Zulieferer der Medizintechnik-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 250.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 36 Milliarden Euro, die Exportquote bei 66 Prozent. Dabei sind 93 Prozent der MedTech-Unternehmen KMU. Der BVMed ist die Stimme der deutschen MedTech-Industrie und vor allem des MedTech-Mittelstandes.
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